Aktuelles aus Schule und Kindergarten

Montag, 12.05.14

Begegnung mit Zeitzeugen

Ehemaliger KZ-Häftling Thomas Geve zu Gast in der Freien Aktiven Schule

Geves Buch „Geraubte Kindheit: Ein Junge überlebt den Holocaust“ hat das Interesse der Jugendlichen an der FAS geweckt.
 
Konzentriert beugen sich die Jugendlichen über ein Duzend Zeichnungen, die auf dem Tisch ausliegen. Betroffen studieren sie die winzigen Figuren und die vielen Details der Szenen mit Überschriften wie „Ankunft an der Rampe“, „Der Krankenblock“, „Der Hunger“ und „Aussuchung zum Tod“.
 
Vorausgegangen war der Austausch der Schüler mit dem ehemaligen KZ-Häftling Thomas Geve. Die Freie Aktive Schule hat den mittlerweile 85-Jährigen, der in Israel lebt, nun schon im dritten Jahr als Gesprächspartner eingeladen. Geve überlebte als Jugendlicher die Konzentrationslager in Auschwitz, Groß-Rosen und Buchenwald. Gleich nach seiner Befreiung dokumentierte der damals 15-Jährige mit Buntstift-Stummeln die Schrecken, die er durchlebt hatte. So entstanden an die 80 Zeichnungen und Skizzen, die sich heute in "Yad Vashem", der Gedenkstätte an den Holocaust in Israel, und als Ausstellung in der Gedenkstätte des KZ Buchenwald befinden. Mit Kopien dieser Zeichnungen und einem Film im Gepäck, der ihn im Gespräch mit einem Jugendlichen auf dem Gelände von Buchenwald zeigt, reist Geve mehrmals im Jahr durch Deutschland. Solange es seine Gesundheit zulässt, stellt er sich den Fragen von Schülern. Seine Antworten sind offen und ohne Pathos.
 
Die Begegnung unserer Jugendlichen mit Zeitzeugen ist uns sehr wichtig. Sie entspricht unserer Vorstellung, dass Lernen vor allem im Austausch und in der Auseinandersetzung mit anderen Menschen passiert“, meint Katrin Bohner von der kollegialen Schulleitung. Dass die Jugendlichen zunächst nicht sehr gesprächig waren, kann sie gut verstehen: „Dieses Thema macht nachdenklich und betroffen, vor allem, wenn man ihm auf solch eindrückliche Art begegnet.“ Und es wirkt nach. Überraschend viele Schüler erstanden im Anschluss das von Thomas Geve geschriebene Buch „Geraubte Kindheit: Ein Junge überlebt den Holocaust“ und brachten es heim mit dem Wunsch, es zusammen mit den Eltern zu lesen. Beeindruckt hatte sie vor allem Geves Persönlichkeit, „so fröhlich und kraftvoll“, und dass er auch im hohen Alter noch nach Deutschland kommt, um von jener Zeit zu erzählen.
 
Die Begegnung mit Thomas Geve ist nur ein Baustein, den wir als Schule unseren Schülern bei der Auseinandersetzung mit dem Dritten Reich bieten. Weitere Bausteine sind Workshops im „Haus der Geschichte“ zu den Themen „Widerstand im Ersten und Zweiten Weltkrieg“ und „Zivilcourage heute“ sowie die regelmäßig stattfindenden Spaziergänge „Auf den Spuren des Dritten Reiches in Stuttgart“, angeboten vom StadtJugendRing. „Sooft wie möglich gehen unsere Schüler raus aus der Schule und rein ins echte Leben. Wenn die Jugendlichen Geschichte erleben und Spuren davon in ihrer unmittelbaren Umgebung finden, dann öffnen sie sich für ein Thema“, weiß Katrin Bohner aus langjähriger Erfahrung.
 

In zwei Deutschkursen setzten sich die Schülerinnen und Schüler zudem literarisch mit dem Thema auseinander: In dem Buch „Ich bin ein Stern“ beschäftigten sie sich mit der Kindheit der deutschen Jüdin Inge Auerbacher. Die Lektüre von „Damals war es Friedrich“ von Hans Peter Richter brachte ihnen das Schicksal eines deutschen und jüdischen Jungens während der NS-Zeit näher.