S wie sexuelle Bildung

Seit mehreren Jahren arbeitet die FAS Stuttgart mit der Erziehungswissenschaftlerin Antonia Bohner, einer ehemaligen FAS-Absolventin, im Bereich der Sexualpädagogik zusammen. Gemeinsam mit ihrer Kollegin Zoe Weber hat sie eine Reihe aufeinander aufbauender Workshops konzipiert (wie zum Beispiel den Mädchentag). 

Im Folgenden stellen sie das Selbstverständnis ihrer Arbeitsweise anhand der Beschreibung des Moduls 3 (für Mädchen der Jahrgangsstufe 6) vor (es wird jedes Jahr nach Absprache mit dem pädagogischen Team an die Interessen der Gruppe angepasst):

„Jugendliche stehen vor Entwicklungsaufgaben im Hinblick auf Körper, Beziehungen und Sexualität. Wir möchten sie in ihrer sexuellen Entwicklung und allen damit verknüpften Themen begleiten und unterstützen. In einem geschützten Rahmen außerhalb der Schule führen wir professionell durch den Tag.

Durch Medienkonsum oder Gespräche resultiert oft Halbwissen. Dieses ergänzen wir und klären Missverständnisse auf. Wir ermöglichen den Mädchen, respektvolle, gesundheitsförderliche sowie bewusste und somit informierte Entscheidungen in Bezug auf ihre Sexualität zu treffen. Entsprechend der emanzipatorischen sexuellen Bildung stärken wir die Selbstbestimmung sowie das Verantwortungsbewusstsein von jungen Menschen und fördern deren sexuelle Gesundheit. Kinder und Jugendliche haben ein Recht auf altersangemessene Aufklärung und Wissen über ihren Körper und ihre Sexualität.

Kinder und Jugendliche sehen wir als handlungsfähige Personen mit eigenen und unterschiedlichen Bedürfnissen, Grenzen und Sichtweisen. Wir finden es wichtig, bedarfsgerecht und grenzachtend mit ihnen zu arbeiten. Das geschieht auch dadurch, dass die Kinder und Jugendlichen selbst entscheiden können, in welchem Ausmaß sie am Mädchentag teilnehmen. Während der Workshops betonen wir, dass es okay ist, rauszugehen, sich nicht einzubringen und sich Unterstützung zu holen, falls ein Thema unangenehme Gefühle auslöst.

Auch beim Mädchentag achten wir auf ein achtsames, respektvolles Miteinander: Lachen ist erlaubt, Auslachen nicht. Persönliche Informationen bleiben im Raum, Unpersönliches darf erzählt werden. Wir lassen uns gegenseitig aussprechen. Wenn sich jemand unwohl fühlt, darf sie den Raum verlassen und etwas anderes machen.

Zum Einstieg in den Mädchentag schreiben die Mädchen beim Sex-ABC Wörter auf, die ihnen zum Thema Sexualität und Körper einfallen. Danach werden in großer Runde die einzelnen Begriffe besprochen und erklärt. So werden Wissensstände angeglichen, man merkt welche Themen die Mädchen gerade beschäftigen und sie merken, dass es okay ist offen über alles zu sprechen und Fragen gerne beantwortet werden.

z.B. B wie Beziehungen. Eine Traumreise bildet den Einstieg in das Thema, es geht um freundschaftliche und romantische Beziehungen. Was ist in Beziehungen wichtig? Woran merke ich, dass es nicht so läuft wie ich es möchte? In Gesprächen wird versucht diesen und anderen Fragen auf den Grund zu gehen. Nicht fehlen dürfen beim Thema Beziehungen K wie Konsens und G wie Grenzen.

Gewaltprävention ist Bestandteil von sexueller Bildung. Die Mädchen sollen ermutigt werden, ihre Grenzen wahrzunehmen, diese zu kommunizieren und die Grenzen anderer zu respektieren. Wir bauen Methoden ein, die das Erlernen von Konsens ermöglichen. Ebenso überlegen wir gemeinsam mit den Jugendlichen, wer konkrete Ansprechpersonen sein können, falls sie grenzüberschreitende Erfahrungen machen müssen. Um von übergriffigen Situationen zu berichten und sich Hilfe holen zu können, ist es wichtig, dass Kinder und Jugendliche Namen für Körperteile lernen. In Bezug auf Sex erklären wir, dass Sex nur dann Sex ist, wenn alle Beteiligten damit einverstanden sind. Nur wenn alle in der Lage sind eine informierte Entscheidung zu treffen und sich dann für ja entscheiden, ist es Sex. Alles andere ist eine Grenzüberschreitung.

Häufig führen Gruppendynamiken zwischen Jugendlichen dazu, dass bestimmtes Wissen über Sexualität und Körper als „okay” gilt und anderes als „zu viel”. Gleiches gilt für unterschiedliche Interessen und unterschiedliche Erfahrungen. Deshalb weisen wir aus Respekt vor den individuellen Entwicklungsbedürfnissen darauf hin, dass es in Bezug auf Körper und Sexualität unterschiedliche Wissensstände gibt. Dass es in Ordnung ist, Sachen schon zu wissen oder auch Sachen noch nicht zu wissen. Uns ist es wichtig, Teilnehmende vor negativen Bewertungen ihrer Mitlernenden zu schützen und gleichzeitig die Reproduktion von Tabuisierung zu verhindern. Wir möchten Kindern und Jugendlichen einen offenen Raum für Fragen und das Lernen über Sexualität, Körper und Beziehungen bieten.

Die Mädchen haben die Möglichkeit in einer anonymen Fragenbox ihre Fragen zu sammeln: „Ist zu viel Selbstbefriedigung schlecht?“ „Wie sage ich einer Person, dass ich in sie verliebt bin?“ „Meine Periode ist unregelmäßig, ist das normal?“ Da das Thema M wie Menstruation immer wieder auftaucht, zeigen wir verschiedenste Menstruationsartikel und erklären zum Beispiel wie man mit Menstruationsschmerzen umgehen kann. 

Konzeptionell und methodisch berücksichtigen wir sexuelle und geschlechtliche Vielfalt, da es statistisch gesehen in jeder Klasse mindestens eine queere Person gibt. Wir gehen wertfrei und solidarisch mit unterschiedlichen Lebensmodellen und sexuellen Vorstellungen um, sofern diese keine Grenzen verletzen.“

Antonia Bohner und Zoe Weber / AF